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Text über Ritual der Mönche
Entlang einer Mauer
Ich wache auf in der feuchten Wärme ihrer Umarmung. Sie lastet auf mir. Dunkel, fremd und würzig umfängt mich ihr Geruch. Meine Lippen, mein Mund schmeckt Gestriges, Vergangenes. Sie wispert, flüstert in mein Ohr. Stöhnt und keucht und schreit, kräht und bellt und heult. Sie ist der allerfrüheste Morgen, die allerspäteste Nacht. Meine Hand betastet Licht und sie stiehlt sich fort, die tropische Nacht.
Über meinem Kopf klammert sich ein weisses Tier an die Wand. Quietschend und röchelnd speit es mir seinen eiskalten Atem entgegen. Steh auf, denke ich. Geh, sage ich. Ich zweifle. Im Badezimmer trete ich mir gegenüber. Der Spiegel über dem fleckigen Waschbecken teilt meine Zweifel.
Sechs Uhr und meine Füsse treten in Schwärze. In meinem Sonntagsstaat gehe ich die unbeleuchtete Dorfstrasse entlang. Einmal hin, einmal zurück. Vorbei an sich im Dunkeln verbergenden Geschäften, Touranbietern, Massagesalons und Restaurants. Erst fern dann nah, rollt Motorenlärm durch die Stille und erste Stimmen hallen über die Gehsteige. Die Welt ist ein Geräusch aus vielen Sprachen. Menschen gehen herum, knien auf den nackten Strassensteinen, lachen, beten, warten.
Ich setze mich in den Vorgarten eines Cafés. In meinem Rücken schneidet eine Meute Scheren Luft vor dem Eingang, bildet ein vorgeschobenes Gitter.
Trommeln rufen in die Dämmerung. Ich warte und die Menschen tun es mir gleich. Dort wo mein Blick ruht, stehen zwei Vans. Ihre seitlichen Münder öffnen sich und erwartungsvolle Gesichter steigen aus, die glänzenden Zyklopenaugen auf der Brust noch geschlossen, schlafend in Erwartung eines Spektakels.
Ich schreibe und die Welt stiehlt sich fort. Später hebe ich meinen Kopf von den Worten hoch in die Wirklichkeit und in der Lücke zwischen den beiden Fahrzeugen läuft orangerotes Kino. Knaben und junge Männer gehen entlang einer Mauer. Ihre Körper sind schlank und eine Schulter, ein Arm und ihre Füsse werden von Nacktheit bekleidet. Die Roben und die Gürtel zeichnen Kleckse in kräftigen Schattierungen von gelb und orange auf die grauen Klostermauern.
Sie tragen schwer. Über den Schultern quer die Tragestangen mit Körben; an Riemen oder in der Hand grosse Glasgefässe mit Stehfuss und Verschlussdeckeln aus Chromstahl oder Blech – ihr Essgeschirr, nun gefüllt mit den Spenden – und auf ihren Gesichtern die Lasten des menschlichen Seins: Stolz, Humor, Langeweile, Freude, Abneigung, Ärger.
Ist da auch Weisheit?
Manche drehen ihren Kopf zur Seite, weg von den staunenden, verehrenden aber gaffenden Blicken der Zuschauer. Manche blicken glasig starr. Manche sehen. Dich, mich, uns.
In jedem von ihnen ist ein Teil von uns. Aber ein Teil von uns ist auch in denjenigen Zuschauern und Pilgern, die sich verhalten als wäre dies eine Bergetappe der Tour de France. Die Regeln des Repektes sind einfach und es sind wenige. Keine Blitzlichter zum Beispiel, auf der anderen Strassenseite bleiben zum Beispiel, Frauen dürfen die Mönche nicht anfassen zum Beispiel. Und wie alle Regeln zu allen Zeiten werden sie immer häufiger gebrochen.
Man sagt, Schönheit liegt in den Augen des Betrachters. Ich glaube, Schönheit kann ohne die subjektive Wahrnehmung des Betrachters existieren. Und so ihre Schönheit bewahren, denn Schönheit hat ihren Zweck in sich Selbst.
Das Ritual ist alt. Es ist geboren in der örtlichen Kultur, dem Leben, dem Glauben. Es ist ihre Geschichte. Erzählt in einem Seitenarm des Zeitflusses, verborgen und geschützt vor der modernen Welt. Wie jede Geschichte birgt sie Anfang und Ende in sich. Und wie jede Geschichte ist sie nur ein Faden im Gewebe der Wirklichkeit. Ist das Muster veränderlich?
So sitze ich und sinne. Und er findet mich. Streichelt mich, sanft und zart. Ich blicke auf zu ihm und er verbrennt meine blosse Haut. Denn die Sonne ist seine Hände, Brodem sein Atem und Schweiss sein Gewicht. Der tropische Tag ist zurück.
Wir alle gehen. Die Mönche in ihre Klöster, die Spendenden in ihr Leben, die Touristen gehen wohin Touristen eben gehen mögen. Ich, auch ein Tourist, gehe mit.